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Gemeinsames Engagement von Historikern und Data Stewards: Datensatz über Migration und Vertreibung in den polnischen Gebieten 1939/1940 veröffentlicht

Autor: Arne Rümmler

Dieser Text wurde mit Hilfe generativer Sprachmodelle erzeugt.

In Zusammenarbeit mit Tim Buchen, damals Juniorprofessor für Geschichte an der TU Dresden, und dem Data Steward Team der SLUB Dresden wurde ein Datensatz veröffentlicht, der weitere Einblicke in die Umsiedlungsaktionen deutschsprachiger Gemeinschaften während des Zweiten Weltkriegs bietet. Dieses Projekt ermöglicht Forschenden und der Öffentlichkeit eine kuratierte digitale Sammlung, die den komplexen und oft erschütternden Prozess der Umsiedlung, Vertreibung und „Germanisierung“ darstellt, die das Dritte Reich in Osteuropa durchführte.

Kontext: Die „Heim ins Reich“-Kampagne

Im Mittelpunkt dieses Datensatzes steht die von Nazi-Deutschland gestartete Propagandakampagne „Heim ins Reich“, die 1939 ethnische Deutsche in Ost- und Südosteuropa dazu aufrief, in das, was damals als „Reich“ angesehen wurde, „zurückzukehren“. Diese Bemühungen führten dazu, dass zahlreiche deutschsprachige Familien ihre Heimat in der heutigen Ukraine, Weißrussland und Polen verließen, um sich in  den neu annektierten Gebieten anzusiedeln.

Der Ansiedlungsprozess verlief jedoch alles andere als einfach. Familien, die in den annektierten Gebieten ankamen, sahen sich Kontrollen und bürokratischen Hürden gegenüber. Nach ihrer Ankunft auf deutschem Gebiet wurden die Siedler:innen in einer Reihe von Lagern untergebracht: Sammellager in und um Łódź, Beobachtungslager im deutschen Kernland und schließlich Vorbereitungslager in der Nähe ihrer neuen Heimat. Während der Zeit in den Sammel- und Beobachtungslagern wurden die Siedler:innen einer rassischen Prüfung unterzogen, die als „Durchschleusung“ bezeichnet wurde. Mit dieser geheimen Beurteilung wurde die „rassische Eignung“ eines Siedlers / einer Siedlerin und damit sein / ihr Anspruch auf Landzuteilung ermittelt. Wenn sie den Test nicht bestanden, wurden sie zumeist als billige Arbeitskräfte im Kernland eingesetzt.

Denjenigen, die als „rassisch geeignet“ eingestuft wurden, wurden Höfe oder Häuser polnischer Familien zugewiesen, die zugunsten der Ansiedler:innen vertrieben und deportiert wurden. Gesteuert wurde diese systematische Umsiedlung und Vertreibung von der Volksdeutschen Mittelstelle (VoMi), die den Vorgang in sogenannten Hofzuweisungslisten minutiös dokumentierte.

Aufbau des Datensatzes: Digitalisierung und Datenumwandlung

Die Zusammenarbeit der Historiker:innen und Datenexpert:innen brachte einen Datensatz hervor, der aus 750 digitalisierten Scans dieser Hofzuweisungslisten abgeleitet wurde. Diese Listen erfassten wichtige Informationen: die Daten und Orte der Ansiedlungen, die Nachnamen und Größen der angesiedelten Familien, die Lager, in denen sie lebten, sowie Einzelheiten zu den vertriebenen polnischen Familien. Jeder Eintrag im Datensatz stellt im Wesentlichen eine doppelte Operation von Vertreibung und Umsiedlung dar –  er erfasst sowohl das entwurzelte Leben der polnischen Familien als auch das der zugezogenen deutschen Siedler:innen.

Um diese gescannten Dokumente in einen digitalen Datensatz umzuwandeln, nutzte das Team das Werkzeug Amazon Textract aufgrund seiner guten Erfassung tabellarischer Strukturen für die OCR (optische Zeichenerkennung). Die resultierenden Text- und Strukturdaten wurden dann mit Hilfe eines neuen OCR-D-Moduls, das die Textract-Ausgabe in das PRImA-Page-XML-Format konvertiert (https://github.com/slub/textract2page), mit der OCR-D-Suite (ein Open-Source-OCR-Toolkit) kompatibel gemacht. Um die Daten für Nicht-Experten leicht zugänglich zu machen, wurden sie in einer einzigen Tabelle zusammengefasst, die eine Nutzung mit gängiger Tabellenkalkulationssoftware ermöglicht. Besonderer Wert wurde auf eine umfassende Beschreibung der Spalten der Tabellen gelegt. Darüber hinaus wurden spezialisierte Gazetteers erstellt und zusammen mit den Daten im LP-TSV v0.5 Format (Linked Places delimited derivative, https://github.com/LinkedPasts/linked-places-format/blob/main/tsv_0.5.md) bereitgestellt. Sie enthalten unter anderem die Koordinaten, alternative Schreibweisen und Linked-Open-Data-Cloud-Identifikatoren für die verschiedenen im Datensatz erwähnten Orte. Der Datenentstehungsprozess umfasste mehrere maschinengestützte Kurationsschleifen, jedoch ist besonders bei der Kuration polnischer Namen weitere Arbeit notwendig. Durch die Verleihung des 4Memory FAIR Data Fellowship 2024 (https://4memory.de/4memory-fair-data-fellowships-2024) erhielt das Team während des Datenentstehungsprozesses zusätzliche Unterstützung von Fachexperten der NFDI4Memory.

Beispiel einer der im Text referenzierten Listen

Der Datensatz: Ein Zeitfenster in die Umsiedlungen des Zweiten Weltkriegs

Der finale Datensatz dokumentiert nahezu 5.000 individuelle Familienumsiedlungen, die etwa 25.000 Personen betreffen. Jeder Eintrag enthält eine Fülle strukturierter Daten, die für maschinelle Analysen geeignet sind, und ermöglicht eine detailliertere Betrachtung der Zwangsumsiedlungen und ihrer Auswirkungen auf sowohl die vertriebenen als auch die umgesiedelten Familien. Bereitgestellt im CSV-Format mit umfassenden Metadaten wird der Datensatz auf GitHub (https://github.com/rue-a/hofzuweisungslisten/) präsentiert und verwaltet und ist auf Zenodo mit einem persistenten Identifikator veröffentlicht (https://doi.org/10.5281/zenodo.13789643).

Mit einer Plakatpräsentation hat das Team der SLUB Dresden den Datensatz auf der  Spatial Humanities Konferenz im September 2024 in Bamberg beworben. Kernstück des Plakats ist eine Karte, die den Migrationsprozess im Minard-Stil visualisiert.

Fazit

Dieser Datensatz spiegelt den Wert der Zusammenarbeit zwischen Historiker:innen und Data Stewards wider, welche Fachwissen mit technischen Fähigkeiten verbindet, um ein komplexes Kapitel der Geschichte zu dokumentieren. Durch die Organisation der Daten in einem strukturierten und zugänglichen Format unterstützt das Team die historische Forschung und fördert gleichzeitig Open Science und die FAIR Prinzipien. Während der Arbeit wurde jedoch auch das Fehlen etablierter Daten- und Metadatenmodelle zur umfassenden Beschreibung der Daten sowie eines fachspezifischen Forschungsdatenrepositoriums zur konformen Bereitstellung der Daten deutlich. 

Für Historiker:innen, Genealog:innen, Pädagog:innen und die Öffentlichkeit ist dieser Datensatz eine nützliche Ressource zur Untersuchung des Umfangs und der Auswirkungen der Umsiedlungskampagnen im Zweiten Weltkrieg in Osteuropa.


OpenEdition schlägt Ihnen vor, diesen Beitrag wie folgt zu zitieren:
Redakteur (19. November 2024). Gemeinsames Engagement von Historikern und Data Stewards: Datensatz über Migration und Vertreibung in den polnischen Gebieten 1939/1940 veröffentlicht. SLUB Open Science Lab. Abgerufen am 7. Februar 2025 von https://doi.org/10.58079/12pns


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